Wilhelm Busch
Bewaffneter Friede

Ganz unverhofft, an einem Hügel,
sind sich begegnet Fuchs und Igel.
 
Halt, rief der Fuchs, du Bösewicht!
Kennst du des Königs Ordre nicht?
Ist nicht der Friede längst verkündigt,
und weißt du nicht, daß jeder sündigt,
der immer noch gerüstet geht?
Im Namen seiner Majestät
geh her und übergib dein Fell.
 
Der Igel sprach: Nur nicht so schnell.
Laß dir erst deine Zähne brechen,
dann wollen wir uns weiter sprechen!
 
Und allsogleich macht er sich rund,
schließt seinen dichten Stachelbund
und trotzt getrost der ganzen Welt,
bewaffnet, doch als Friedensheld.


Josef Guggenmoos
Der feuerspeiende Berg

Es war einmal ein Vulkan,
ein rechtes Ungeheuer.
Der rülpste oft und fauchte oft
und spuckte plötzlich Feuer.

Er spuckte Feuer und spuckte Rauch
und hunderttausend Million
Steinbrocken auch.

Wie ein Untier stand er da.
Man kam ihm lieber nicht zu nah.
Aber von fern war er eine Pracht,
besonders wenn er Feuer spie,
mitten in der Nacht


Das Haus der Maus
Ich frag die Maus: „Wo ist dein Haus?“
Die Maus darauf erwidert mir:
„ Sag‘s nicht der Katz, so sag ich’s dir.
Treppauf, treppab, erst rechts, dann links,
dann gradeaus. Da ist mein Haus.
Du wirst es schon erblicken.
Die Tür ist klein und trittst du ein,
vergiss nicht dich zu bücken!



Vom Riesen Timpeltu

Pst! Ich weis was, hört mal zu:
War einst ein Riese Timpeltu.
Der arme Bursche hatt‘ – oh Graus –
im Schlafe nachts verschluckt `ne Maus.
Er lief zum Doktor Isegrim:
„Ach, Doktor, mir geht’s heute schlimm.
Ich hab‘ im Schlaf `ne  Maus verschluckt.
Die sitzt im Leib und hüpft und druckt.“
Der Doktor war ein kluger Mann.
Man sah’s ihm an der Brille an.
Er hat ihm in den Hals geguckt:
„Wie? Was? `ne Maus habt Ihr verschluckt?
Verschluckt `ne Miezekatz dazu,
so lässt die Maus Euch gleich in Ruh!“ 


Die Tulpe        

Dunkel war alles und Nacht.
In der Erde tief die Zwiebel schlief,
die braune.

Was ist das für ein Gemunkel,
was ist das für ein Geraune,
dachte die Zwiebel,
plötzlich erwacht.
Was singen die Vögel da droben
Und jauchzen und toben?

Von Neugier gepackt,
hat die Zwiebel einen langen Hals gemacht
und um sich geblickt
mit einem hübschen Tulpengesicht.
Da hat ihr der Frühling entgegengelacht.


Aus der Padovansammlung:

Ich geh über das Wasser
Ich geh über den See.
Denn das Wasser das Wasser
Das tut mir nicht weh.

Ich geh über Steine
Ich geh über den Grund, doch
Die Steine die Steine
Die machen mich wund

Ich möchte gern fliegen
Über Wasser und über Grund
Denn das Fliegen das Fliegen
Das macht mich gesund.


Der Eisbär prustet und erklimmt
den Eisberg, der im Eismeer schwimmt.
Und schreitet, gross  und stark und weiss
durch den Palast aus grünem Eis.

Ich bin stark bis ins Mark.
Wie ein Tiger kann ich springen.
Wie ein Löwe kann ich ringen.
Wie ein Pferdchen kann ich rennen.
Wie das Feuer kann ich brennen.
Wie ein Sturmwind kann ich jagen.
Wie ein Riese kann ich tragen.
Ich bin stark bis ins Mark.


Das Krokodil vom Regenwald,
das liegt im Matsch, es ist schon alt.
Sein Maul, das öffnet sich nur leicht.
Doch wenn es durch die Sümpfe schleicht,
so ungefähr einmal am Tag,
da kommt es fürchterlich in Fahrt
und schnappt sich eine Kröte
kurz vor der Morgenröte.



Zwei Elefanten, die sich gut kannten,
hatten vergessen, das Frühstück zu essen.
Da sagte der eine, was ich jetzt brauch,
sind dreiunddreissig Bananen im Bauch,
da sagte der andere: ich auch!



Es war einmal ein Mann,
der hatte einen Schwamm.
Der Schwamm war ihm zu nass,
da ging er auf die Gass.
Die Gass war ihm zu kalt,
da ging er in den Wald.
Der Wald war ihm zu grün,
da ging er nach Berlin.
Berlin war ihm zu voll,
da ging er nach Tirol.
Tirol war ihm zu klein,
da ging er wieder heim.
Daheim war’s ihm zu nett,
da legt er sich ins Bett.
Im Bett war eine Maus
Und die Geschicht‘ ist aus.


Ein Hund lief in die Küche
und stahl dem Koch ein Ei.
Da nahm der Koch den Löffel
und schlug den Hund entzwei.
Da kamen viele Hunde
und gruben ihm ein Grab
und setzten einen Grabstein,
worauf geschrieben stand:
Ein Hund lief in die Küche
und stahl dem Koch ein Ei.
Da nahm…….

Morgens früh um sechs
kommt die kleine Hex.

Morgens früh um sieben
schabt sie gelbe Rüben.
 
Morgens früh um acht
wird Kaffee gemacht.
 
Morgens früh um neune
geht sie in die Scheune.

Morgens früh um zehne
holt sie Holz und Späne

feuert an um elf,
kocht dann bis um zwölf,

Fröschebein und Krebs und Fisch,
hurtig,  Kinder, kommt zu Tisch.


Rainer Maria Rilke

Herbsttag
Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr gross.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage ,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süsse in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr,
wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.